Gemüseraffeln und Raclette

Normalerweise zucke ich zusammen, wenn ich nur schon den Namen Albisgüetli höre. Ich muss dort alle paar Jahre das treue, alte Messimobil oder die noch ältere Vespa vorführen und auf die Gnade der Experten hoffen. Aber am zweiten Septemberwochenende ist das anders: Dann wollen meine jungen Ladies ans Knabenschiessen. Es ist ein anderes Fest, wenn man es durch Mädchenaugen sieht. Als Junge habe ich die Afrikanerinnen nicht mal wahrgenommen, die einem die Haare mit bunten Fäden zu Zöpfchen flechten. Die einzigen Zöpfchen, die mich in ihrem Alter interessierten, waren die von Asterix und Obelix. Und hat es damals schon so viele Schmuck- und Modestände gehabt? Vermutlich schon, nur habe ich die nie gesehen. Was aber so ist wie damals, sind die Gerüche. Neben den vielen exotischen Speisen gibt es ein einheimisches Gericht, das geruchsmässig alles überdeckt und für jeden ausländischen Gast eine olfaktorische Beleidigung ist: Raclette! Für mich der Beweis, dass unser Land über biologische Kampfstoffe verfügt. Welches Kraut haben sich die alten Walliser reingepfiffen, dass sie überhaupt auf die Idee gekommen sind, einen rässen Käse zu schmelzen und dann mit noch mehr Weisswein runterzuspülen. Ein weiterer Klassiker in unmittelbarer Nähe: Der Gemüseraffelmann, der ohne zwischen den Sätzen Luft zu holen seinen Wortschwall voller Lobpreisungen für das Gerät über die Zuschauenden ergiesst. Haben sie auch mal so ein Ding gekauft, einmal gebraucht, und nun liegt es seit Jahren in der hintersten Ecke im Küchenschrank und fängt Staub? Sie sind nicht allein.

Kolumne im Tagblatt der Stadt Zürich vom 17. September 2014

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