Bro!

Neulich an der Tramhaltestelle Bellevue: Zwei junge Frauen stellen sich neben mich und tratschen über einen Kerl. Ich werde dabei unfreiwillig Zeuge eines Gesprächs, wie es sonst vermutlich nur in Damentoiletten stattfindet. Die beiden sind typische GenZ-Vertreterinnen, beide tragen fluffiges Haar mit messerscharfem Mittelscheitel, borstige Augenbrauen, diesen Bella-Hadid-Edelpunk-Look und nennen sich gegenseitig «Bro». M-hm, ist so. Mir zieht’s schon die Ohrläppchen in den Gehörgang, wenn ich Kindergärtler höre, die sich gegenseitig «Alter» nennen, beim Bro zwischen Frauen muss ich ein kleines bisschen in meinen Mund erbrechen. Ausserdem haben beide diesen permanent empörten Gesichtsausdruck, den man als «Resting Bitch Face» kennt.

Verlegenheitsbild mit zwei Frauen als Motiv. (Ich will nicht darüber sprechen.) © Kinga Cickewicz

Aber zurück zum Gespräch, dessen williger Mithörer ich wurde: Der Kerl, über den sie redeten – Mitschüler? Mitarbeiter? Egal! – macht wohl alles falsch. «Dä gaht sicher nöd i d’Gym», was sogleich mit einem «genau, voll» quittiert wurde. Ausserdem trägt er die falschen Brands und seine Haare, vermuten die beiden, lässt er wohl in einem preisgünstigen Einwanderer-Salon machen. Diesmal ein beipflichtendes «voll, genau». Das Shaming geht weiter: Dass er sie anlächelt, wenn er im Vorbeigehen grüsst, finden beide «voll creepy». Ich denk mir, die arme Sau, will nur nett sein und wird in die Grusel-Ecke gestellt. Dann folgt der Todesstoss, der endgültige Diss, das härteste Urteil, das diese Generation fällen kann: «Dä hät sicher au am Abig no en volle Akku im Handy». Mich hats zerrissen. Ich habe geprustet wie ein Wasserbüffel, der in Birchermüesli ertrinkt. Nicht nur die beiden Frauen, auch andere Umstehende haben mich verständnislos angestarrt. Zum Glück hat mich die VBZ mit dem einfahrenden 9er Tram gerettet.