Nach acht Jahren Obama kann man endlich wieder sagen, die Aussentemperatur entspricht etwa dem IQ des amerikanischen Präsidenten. Haben Sie die Antrittsrede verfolgt? Der steht da vor vier anwesenden Ex-Präsidenten und erzählt, wie er das Land aus dem Sumpf ziehen möchte, in das es seine Vorgänger manövriert hatten? Wie ein trotziger Teenager hat er allen ein verbales Messer zwischen die Rippen gestossen. Als erste Amtshandlung hat er den Affordable Care Act, Obamas grösstes Werk gestrichen. Das wäre so, als ob man einen zornigen Zürichberg-Zögling zum Stapi machen würde und der als erstes alle Tempo-30-Zonen und Verkehrsberuhigungen wegfegt und zu Durchgangsstrassen erklärt. Der Mann hat die emotionale Grösse eines Brunnenkresse-Brötchens und leert einfach seinen Kolostomiebeutel über den Anwesenden aus. Auf der anderen Seite bewegt er die Leute: Kaum einen Tag im Amt machen sich wegen ihm Millionen von Frauen auf und gehen auf die Strasse. Dann noch der lächerliche Auftritt seines Speakers Sean Spicer, der bei seinem ersten Auftritt gleich drei faustdicke Lügen abgesondert hat. Das ganze wurde nachher durch Trumps Image-Beraterin Kellyanne Conway relativiert durch die Klassifizierung «Alternative Facts» – sozusagen die 2017er Version der Fake News. Als Vater graut mir vor den Folgen dieser präsidialen Vorbildleistung. Jetzt kann jedes Kind sagen, es habe nicht gelogen, sondern nur alternative Fakten dargelegt. Wenigstens in einer Disziplin ist der Donald spitze: Noch kein Präsident vor ihm hatte eine dermassen tiefe Akzeptanz beim Volk. Anders als bei der russischen Regierung. Die haben ihm sogar gratuliert, dass er während der Antrittsrede nicht einmal das Wort «Demokratie» verwendet hat. Da hat er vermutlich Conways Rat befolgt und ausnahmsweise nicht von etwas gesprochen, das er nicht kennt. Alles in allem: Ein gelungener Start.
Monat: Januar 2017
Zwischen Weihnachten und Neujahr hatte man gefühlte sechzig Mal die Gelegenheit, «Drei Nüsse für Aschenbrödel» zu schauen. Ich war als Teenie ja so verliebt in die kleine Popelka. Auch «Winnetou» kam zurück in einer brandneuen Verfilmung, gedreht wie der Klassiker in der kroatischen Prärie. Der neue Apachen-Häuptling-Darsteller heisst Nik Xhelilaj. Sein Blutsbruder wird gespielt von Tatort-Kommissar Wotan Wilke Möhring. Wenn man die beiden Namen so nebeneinander sieht: Richard Wagner trifft die Schweizer Fussball-Nati. Die Neuverfilmung des Wildwest-Märchens habe ich mir übrigens nicht angetan. Schon vor ein paar Jahren habe ich den Fehler gemacht, den Klassiker mit Pierre Brice und Lex Barker nochmals zu schauen: Die Story ist schmalzig-naiv erzählt, die Darsteller sind hölzern und die Stunts haben Abenteuerspielplatz-Niveau. Ich hätte ihn besser in verklärter Erinnerung behalten, als Monument und unantastbar. Stattdessen habe ich denselben Fehler gemacht wie bei Pippi Langstrumpf. Haben sie den wieder mal angeschaut? Tun Sie es nicht! Das tut im Herzen weh. Abgesehen davon, dass Pippi heutzutage wegen Dyskalkulie und ADHS medikamentös ruhig gestellt würde, ihr Piratenvater wegen Gefährdung des Kindswohls im Knast sässe, wäre sie selber niemals die Heldin von Tommy und Annika geworden, weil sie nie in der Villa Kunterbunt eingezogen wäre, sondern wegen ihrer Lebenssituation durch die KESB fremdplatziert worden wäre. Und das sind nur die Schwächen des Drehbuchs. Die Filmtricks sind grottenschlecht. Die Synchrontexte sind laienhaft aufgesagt. Es hat mir das Herz gebrochen. Nicht alle Filme altern gleich gut.
(erschienen am 4. Januar im Tagblatt der Stadt Zürich)