Festliche Filme

Film-Festival in Zürich und jeden Tag zwei Dutzend neuer Filme. Soll ich mir den usbekischen Experimentalfilm geben, oder ein opulentes Hollywood-Drama? Schwierige Entscheidung. Aber eigentlich verstösst so ein Festival ja gegen mein Prinzip, nie in der Premierenwoche ins Kino zu gehen. Publikumsmässig ist das der reine Horror. Wichtigtuer, die den ganzen Film kommentieren, Dumpfbacken, die sich den Film von ihrer Begleitung Szene für Szene erklären lassen, Junkfood-Adipöten, die in der ersten Filmhälfte eine Einkaufstüte mit Burger und Fritten leerfressen, um in der Pause Nachschub zu holen. Und alle, alle scharen sich um mich. Quasselstrippen, Denkzwerge und Mampftüten mit Raschelzeugs und Mundgeruch. Da ist das ganze Kino-Erlebnis futsch. Ich hätte mehr davon, zuhause in der Waschküche zwei Stunden vor einem farbigen Sutt zu sitzen. Und dann der ewige Kleinkrieg um die Armlehne. Oder das beklemmende Gefühl, wenn man neben einer ängstlichen Frau sitzt, die jedes Mal, wenn ich mich bewege, ihre Handtasche fester hält. Wir beide wissen, sie hat ihren Pfefferspray zwei Stunden lang im Dunkeln auf mich gerichtet und ist bereit, beim kleinsten Mucks abzudrücken. Und wenn die ganze Schikanier-Schwadron mal nicht kommt, setzt sich unmittelbar nach der Werbung eine ganze Basketball-Mannschaft in die Reihe vor mir. Trotzdem: Kino macht keinen Spass, wenn man nur darüber schreibt. Drum geh ich hin.

Kolumne im Tagblatt der Stadt Zürich vom 2. Oktober 2013

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