Juli/August sind die Monate mit Reisepflicht und Amüsierzwang. Am grössten ist der Druck in der Firma: Wenn du nur eine Nuance bleicher bist, als die ersten Ferienrückkehrer, wirst du zehn Mal am Tag gefragt: «Woanegaasch?». Hast du einigermassen einen Teint, fragen dich genauso viele Leute: «Wobischxi?»Irgendwann wird es langweilig, immer die gleiche Antwort zu geben. Ich sage dann so Sachen wie «Südpazifik, Tahiti – d’Schwiegereltere händ es Hüsli dötte.» Das kleine Detail mit den Häuschen macht es glaubwürdig. Je nach Laune nenne ich auch mal ein Bürgerkriegsland, «häsch fascht nienez Handynetz und d’Roaming-Gebühre sind brutal» oder ein radioaktiv verseuchtes Gebiet: «Muesch immer en Geigerzähler debii ha.» Natürlich rücke ich jedes Mal bei den verdutzten Gesichtern mit der unspektakulären Wahrheit raus: Wir bleiben in Zürich und geniessen den Sommer hier. Eben ist meine römische Verwandtschaft eingetroffen. Denen fiel vor allem die rege Bautätigkeit in der City auf. Wenn Rom die ewige Stadt ist, ist Zürich die ewige Baustelle: Central, Stauffacher, Kornhausbrücke – wo immer ein Stück unversehrter Asphalt gefunden wird, wird die Strasse aufgerissen. Mit dem Velo kommt man aber überall durch. Meine Römer sind jedenfalls begeistert vom Gratis Veloverleih, aber auch von lokalen Spezialitäten wie dem Kaffee bei Schwarzenbach, der Schoggi vom Schober, der Cremeschnitte in der Waid und vor allem den Gratisbädern an See und Fluss. Den 1. August fanden sie infernalisch. Meine Nachbarn haben akustisch eine Weltkriegs-Schlacht an der Westfront von vor 100 Jahren nachgestellt. Trotzdem finden sie es toll hier. Vor allem wegen der «wunderbar milden Temperaturen». Wären sie nur eine Woche früher hier gewesen, hätten sie auf dem Balkon nicht die Badetücher zum Trocknen, sondern Meisenknödel aufgehängt.
(Tagblatt der Stadt Zürich, 2. August 2017)
Ich gebe die Hoffnung nicht auf dass auch Mehrheit demnächst kapieren wird dass man Herden-Prinzip im Verlaufe der Evolution allmählich aufgeben darf; was in Sachen Fudi bräunen während Seele Time out genießt, heißt: man kann es tun unabhängig davon wann und wie es die Anderen tun, mann kann es auch sein lassen.
Zumal Zürich bzw. Schweiz im Sommer mehr als genug Wärme und Angebote zur Verfügung stellen und November oder Februar eher trieste oder mindestens nüchtern kalte Intermezzo’s darstellen die mit Urlaub-Illusionen bei weitem einfacher zu überlisten sind.
Ok, Schulferienzeiten sorgen schon für gewisse, vorgegebene Dynamik, aber ich kann mich doch nicht dem Eindruck entziehen dass es bei recht Vielen um ‚Automatismen‘ geht, um Handeln das nicht hinterfragt wird, leider.
Schade eigentlich, bin überzeugt dass es mehrfach Gewinn abwerfen würde wenn jeder eigenem, authentischem Rhythmus folgen würde, bzw.seinen wahren Bedürfnissen…
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