WM-Kinder-Auflauf

Morgen geht’s los. Anpfiff um 22 Uhr, danach einen Monat lang Fussball total. Ich bin noch überhaupt nicht eingestimmt, habe kein Panini-Album vollgeklebt und noch nicht mal meinen Platz in der Penalty-Bar reserviert. Dabei hatten wir, wenn man den Medien glauben darf, noch nie so eine erfolgversprechende Mannschaft. Früher war ja bei WM-Auftritten grundsätzlich Fremdschämen angesagt. Wenn die Spieler mit den Kindern an der Hand ins Stadion eingelaufen sind, dachte ich instinktiv: Lasst die kleinen spielen, damit’s nicht so peinlich wird. Übrigens: Die offizielle Bezeichnung für die Dreikäsehochs war bis vor kurzem noch «Auflaufkinder», was irgendwie unglücklich an ein kannibalisches Ofengericht erinnert. Der neue Ausdruck lautet jetzt nicht minder unselig «Einlaufkind». Dabei denkt man doch an einen kleinen Helfer bei einer Darmspülung und nicht an eine Spieler-Eskorte. Egal. Elf Freunde müsst ihr sein, der Ball ist rund und muss ins Eckige. Das Maskottchen der WM heisst «Fuleco» und stellt das brasilianische Dreibindengürteltier mit gelbem Fell und blauem Panzer dar. Kann man ohne Konsum harter Drogen auf so eine Idee verfallen? Es ist zumindest eine eigenwillige Wahl, die laut Veranstalter das Bewusstsein um die aussterbende Art schärfen soll. Den Tieren nützt das etwa so viel wie ein Facebook-Like. Genug geplaudert, muss jetzt meinen Platz sichern.

Kolumne im Tagblatt der Stadt Zürich vom 11. Juni 2014

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