Webfehler

Die Königsdisziplin der Fehler, die man im World Wide Web machen kann, ist wohl das Politiker-Nackt-Selfie. Natürlich gibt es da Abstufungen: Ein linker Lokalpolitiker käme höchstens auf eine Meldung im Regionalblatt und eine zotige Erwähnung in der Fasnachtszeitung. Je ranghöher und konservativer, desto skandalöser. Ein Bundesrat aus dem rechten Flügel, der sich hüllenlos im Büro, noch besser im Parlament ablichtet, würde ein mediales Erdbeben auslösen. Der Untergang des Abendlandes und das Ende der Demokratie würden heraufbeschworen. Nicht anders wäre es bei einer Bundesrätin, nur beim Volk würde sie im Gegensatz zum männlichen Kollegen als Femme Fatale in die Annalen der vorzeitig beendeten Karrieren eingehen und nicht als alternder Lüstling.

Beim aktuellen Fall fragt man sich, was im Kopf dieses studierten Mannes vorging. Ich meine, wenn ein 53-jähriger grüner Nationalrat einer 21-jährigen, als psychisch labil dargestellten Frau ein Nackt-Selfie schickt, was soll da schon schiefgehen? (Anm. des Verfassers: Mit «grün» ist die politische Couleur des Mannes und nicht seine Erfahrung im Umgang mit elektronischen Medien gemeint.) Hat er es wirklich für eine gute Idee gehalten, als er den «senden»-Knopf drückte? Vielleicht hat ihm sein grünes Gewissen gesagt, dass Cybersex eine umweltfreundliche Art des Verkehrs sei, und deshalb unbedenklich.

Kolumne im Tagblatt der Stadt Zürich vom 20. August 2014

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