Kolumnist

Kolumnist. Das würde auf meiner Tagblatt-Visitenkarte stehen, wenn ich denn eine hätte. Ich darf hier ab sofort die kleinen Dinge des Alltags und die grossen Themen aus meiner Sicht formulieren. So mit voller Inhaltsfreiheit innerhalb des guten Geschmacks. Meine angetraute Sonnenblume freut sich mit mir, meinen Teenager-Töchtern, «was für ein Mist?», ist es egal, Hauptsache sie kommen nicht darin vor. Den meisten, denen ich von meinem neuen Job erzählt habe, macht das überhaupt keinen Eindruck. Im Gegenteil. Ich ernte fast nur geheucheltes Mitleid: «Du wirst jeden Freund verlieren, den Du hattest.» Toll! Das baut einen auf. Noch fieser die Variante «Wenigstens hast Du keine Freunde zu verlieren». Danke. Meine wunderbaren Kolleginnen und Kollegen aus der Redaktion haben mir dann noch eine Liste von Berühmtheiten, die auch schon kolumniert haben (sagt man das so?), um die Ohren geschlagen; von Jean-Paul Sartre über Peter Bichsel bis Philip Roth. Wirklich sehr ermutigend. Immerhin hat es auf mein naives Verkünden auch ein paar erhellende Reaktionen gegeben. «Kolumnist? So mit Marx und Lenin und rotem Stern und so?» Die überraschendste Antwort war aber «Musst Dich nicht genieren. Ich hatte auch schon mal eine Darmspiegelung.» Wenigstens hat mich niemand mit einem Tropenhelm versehen und als Kolonist nach Afrika gedacht. Wenn ich im nächsten Leben wieder Kolumnist werde, sage ich das nur meinen Facebook-Freunden. Die Verluste kann ich verschmerzen.

Kolumne im Tagblatt der Stadt Zürich vom 20. März 2013

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