Angefangen hat es mit einer globalen Schwäche in der Printindustrie: Jedes buchstabentragende Papier, das ich in Händen hielt, war nur dünn bedruckt. Die Wörter waren alle schwächer und nur irgendwie grau statt schwarz auf weiss. War schwarze Druckfarbe zu teuer geworden? Anfangs half es noch, näher ans Licht zu gehen. Aber mit dem Blendeffekt meiner lichtstarken Nachttischlampe wurde Lesen immer anstrengender. Irgendwann habe ich mir, mehr zum Spass, eine Lesebrille angeschafft.
Es war eine Offenbarung. Diese Kontraste, dieser meisterhafte Druck! Satte Lettern, grobfaseriges Papier – der Spass am Lesen war wieder da. Bis ich die Linsenkrücke verlegt habe. Dabei ist es so wie mit vielen Dingen: Man merkt erst, wie wichtig es ist, wenn es nicht mehr da ist. Damit mir das nie wieder passiert, habe ich für alle Orte, an denen ich mich regelmässig aufhalte, eine Brille angeschafft. Weil das nicht ganz billig ist, bin ich auf Ramschläden ausgewichen. In den Ferien habe ich bei Ein-Dollar-Shops ganze Bestände aufgekauft. Im Moment habe ich so um die 70 Gebrülle. Weil ja nur die Ladenhüter in solchen Geschäften enden, sind die meistens eher unansehnlich aber nichtsdestotrotz durchsichtig und blickschärfend. Wenn sie also einem Typen mit hässlicher Brille begegnen – das bin wohl ich.
Kolumne im Tagblatt der Stadt Zürich vom 17. Februar 2016