Der Klotz

Von meiner Terrasse sehe ich, wie Zürich in die Höhe schwillt. In den neuen Hochhäusern finden sich Büros und Jobs für Schreibtischtäter oder Wohnungen für Besserverdiener. So wächst und gedeiht meine Stadt. Und dann gibt’s da noch den Klotz. Ein 118 Meter hohes, mausgraues Mahnmal aus Beton für eine Abstimmung, in der 50.1 Prozent der Zürcher Urnengänger schlechten Geschmack bewiesen haben. Ein Getreidesilo von absurden Dimensionen. Ein gesichtsloses Hochhaus für unser täglich Brot. Arbeiten darin emsige Hundertschaften von fleissigen Müllern? Nein. Die Monstrosität schafft gerade mal 8 Arbeitsplätze. Das einzige, was es schafft ist Schatten in der Lettenbadi. Nachts verdeckt der kahle Pfosten die Lichter der Stadt. Am Tag ist er nur hässlich. Und dabei kann ich nicht mal auf die Zürcher Sprayerszene hoffen. Kein Strassenkünstler hätte die Mittel, in hundert Metern und mehr Höhe ein Kunstwerk zu sprayen. Das Ungetüm würde sich nur in mein Herz schleichen, wenn an der Fassade eine gigantische Kletterwand eingerichtet würde. Dann könnte ich den Bau sogar richtig mögen.

Kolumne im Tagblatt der Stadt Zürich vom 16. September 2015

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