Ich liebe die saisonale Küche. Speziell jetzt, weil grad Pilzsaison ist. Und wenn du bist, was du isst, ist es glaube ich nicht mal so übel, ein Speisepilz zu sein. Die besten Pilzgerichte sind jedenfalls diejenigen mit selbst gesammelten Pilzen. Während andere mit Pilzbüchern bewaffnet im Wald den Korb füllen und dann die Hälfte beim Pilzkontrolleur liegen lassen, haben wir Jürg. Jürg ist ehemaliger Pilzkontrolleur und sein Urteil ist endgültig. Du zeigst ihm einen Pilz in freier Wildbahn und er sagt dir so tolle Sachen wie: «Den kannst du nehmen, darfst aber keinen Alkohol trinken», oder «bei dem musst du den Hut schälen, aber er schmeckt trotzdem nach nichts» oder im schlimmsten Fall: «Bei dem bekommst du permanenten Blumenschmuck – einen Meter zwanzig über deinem Bauch.» Jürg kennt die Pilze mit Vor- und Nachnamen. Da gibt es Krause Glucken, Wollige Milchlinge oder Säufernasen. Ein beliebter Jokus unter Laien ist, einen phallisch geformten Pilz als «gemeinen Scheidentäuschling» zu bezeichnen. Jürg ist ausserdem ein Pilz-Snob. Beim kleinsten Schneckenfrass lässt er einen Pilz stehen, während ich noch einen halb angefressenen frischen Steinpilz schneide.

In die Pilze gehen weckt im Stammhirn das Jagdfieber. So mit Halali und Waidmannsdank. Ein unter Pilzjägern beliebter Satz lautet: «Pass auf, wenn du einen Pilz nur verletzt, kann er zur Bestie werden!» Denn es ist ja nicht so, dass sich Pilze dem Sammler im Wald mit Las-Vegas-mässigen Leuchtreklamen anpreisen mit Slogans wie «Pflück mich» oder «schneid mir den Fuss ab». Im Gegenteil: Die Dinger sind voll gut getarnt. Braun auf braunem Grund; womöglich noch unter welkem Laub. Ich persönlich finde, dass Pilze neonpink gefärbt sein müssten und erst nach dem Pflücken ihre normale Farbe gewinnen sollten. Aber die meisten Pilze, die auffällig gewandet sind, sind leider auch diejenigen, von denen man besser die Finger lässt. Und ja, Pilzgerichte verhängen mitunter noch Todesurteile. Deshalb sagt Jürg auch: «Es gibt mutige Pilzsammler und es gibt alte Pilzsammler . Aber es gibt keine mutigen, alten Pilzsammler.» Ich glaube dem alten Trüffelschwein.
Neulich war ich in einem beliebten urbanen Pilzgrund, der Früchte- und Gemüse-Abteilung von meinem Quartier-Cööpli und hörte zwei jungen Erwachsenen zu, die sich irgendwo im entwicklungsmässigen Niemandsland zwischen 18- und 24 Jahren befanden und sich über die Waldpilzmischung beugten:
«Hee lueg emal, die gsehnd us wie Pilzli.»
Der andere: «Das sind Pilzli.»
«Ja aber…» sagt der erste augenverdrehend «… ich mein dänk Pilzli.»
Jetzt rafft es auch der andere. «s’wär krass, wenn die würded Pilzli verchaufe.»
Vielleicht sollte der Grossverteiler meines Vertrauens die Pilze speziell für die jüngere Käuferschaft etwas detaillierter auszeichnen. So im Stil von «Waldpilze – nicht psychedelisch, dafür scheisslangweilig.»