Greta hasst mich

Ich bin eben mit meiner 16-jährigen Tochter nach vier Wochen USA aus dem Flieger gestiegen. 5 Kilo schwerer vom üppigen Essen und doch erleichtert, dass es dort besser läuft, als man hier in Europa vernehmen kann. Die Wirtschaft brummt und die Arbeitslosigkeit ist auf einem 50-Jahre-Tiefststand. Dafür nimmt man offenbar dumpfe Tweets und exorbitante Staatsverschuldung in Kauf. Das Land ist zudem tief gespalten und befindet sich in einem ideologischen Bürgerkrieg. Eine politische Mitte existiert nicht. An verschiedenen bierseligen Abenden haben mein Freund Jack und ich den festen Plan gefasst, die Mitte-Partei zu gründen, die das Land braucht: kapitalistisch, öko, menschenfreundlich und konservativ. Ja, das tönt platt und könnte auch auf jede blöde Firma zutreffen, aber wir arbeiten ja noch dran. Abgesehen davon bin ich immer wieder gerne in den USA. Das Land ist ja irgendwie fast so etwas wie eine westliche Demokratie.

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Flughafen Kloten (Niederländer lachen jedesmal) ready to take off.

Am 4. Juli feierten die US-Amerikaner ihr Brexit-Jubiläum und wir waren mittendrin zwischen Baltimore und DC. Schon Ende Juni, als wir dort angekommen sind, habe ich gemeint, noch mehr Fahnen könne man nicht aufstellen, hissen oder fliegen lassen. Denkste! Geht doch. Und wie: Zehn Millionen Stück importieren die USA jedes Jahr aus China. Die sind dann stolzer Schmuck am Jubiläumstag des Verrats an Britannien. Die Leute tragen Kleider mit Stars & Stripes, dazu gibt es eine Parade, Hot-Dog-Wettessen und am Abend Feuerwerk und zu allem viel Bier.

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Parade in Catonsville, Maryland. Der Sommerregen machte die 34°C erträglich.

Ich habe die Reise auf ein paar hundert Fotos dokumentiert. Meine Tochter hat mir dazu ein völlig neues Lebensgefühl vermittelt. Bisher war ich immer der Ansicht, dass Sehenswürdigkeiten gesehen werden müssen. Falsch. Man muss ihnen den Rücken zudrehen und das sehen, was die Sehenswürdigkeiten sehen. Dabei macht man einen Selfie und wenn der gut geworden ist, würdigt man die Attraktion keines Blickes mehr und schreitet von dannen. Moderne Teenager haben übrigens alle mindestens 15 Standard-Gesichtsausdrücke drauf, mit denen sie sich ablichten. Die Palette reicht von schmollendem Kleinkind bis hin zur strahlenden Disney-Prinzessin. Ich habe mich am zweiten Abend beim heimlichen Üben ertappt, mich danach geschämt und es seither sein lassen. Ich bin nun mal nicht so fotogen.

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Statt Selfie: Das Handy anderen Touristen in die Hand drücken. Vorher darauf achten, dass diese Schuhwerk tragen, das nicht zum Davonrennen geeignet ist.

Aber wenden wir uns erfreulicheren Dingen zu: Meinen Extrapfunden. Die habe ich mir mit den saftigsten Steaks der Welt angefuttert. Ganze Rinderherden sind in meinen Schlund gewandert. Ausserdem haben die USA das beste und grösste Steaksaucen-Sortiment des Planeten. Die Auswahl ist ehrfurchteinflössend, genauso wie die Bedienung motiviert ist und die Plastiksäcke gratis sind. Auch die bei uns verbotenen PVC-Trinkhalme gibt es eimerweise.

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Von Honigsenf zu Höllenfeuer – riesiges Steaksaucen-Sortiment.

Und während Klimaschutzaktivisten schon bald wieder jeden Freitag für eine bessere Welt die Schule schwänzen, liebäugle ich seit unserer Rückkehr mit der Anschaffung einer Klimaanlage für unsere Dachwohnung. Ich bin sicher, Greta würde mich hassen.

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