Neulich wurde ich von Radio SRF, dem am wenigsten schlechten Radio der Schweiz, beschallt. Dabei fiel mir ein herrlich schrulliges Programm-Element auf: Die Gratulationen für die ältesten Hörer um fünf nach neun. Wenn ich den Moderator richtig verstanden habe, ist die Hürde darin vorzukommen recht hoch: Man muss mindestens 95 Jahre alt sein, um öffentlich-rechtlich gewürdigt zu werden. Haben Sies gemerkt? 5 nach 9 – 95. Ha! Nach dem Gruss wird dann ein währschaftes Stück Musik gespielt; etwas Lüpfiges von Glenn Miller oder ein Hudigäggeler. Machen Sie sich also gefasst, in gut 40 Jahren (August 2058) wird ein Moderator mit sonorer Stimme und dem typischen wohlwollenden SRF-Gratulationen-Tonfall, den man sonst nur für geistig zurückgebliebene Haustiere reserviert, folgendes verlesen. «De Messi fiiret hüt sin 95ste. Er macht am Morge sis Müesli immer no sälber und häts jede Tag lustig mit sinere Spitex-Schwöschter. Für ihn spielemer vom Jimi Hendrix ‹Purple Haze›». Dann dröhnt endlich mal eine ehrliche Gitarre im staatlichen Dudelfunk. Hoch die Schnabeltassen!

Das Altersheim der Zukunft stelle ich mir mehr so als XXL-WG mit getrennten Häusern vor. Da das Frauenhaus mit Yoga-Studio und Teeküche, dort das Männerhaus mit Stammtisch und einer kleinen Brauerei und dazwischen ein kuscheliges Begegnungshaus mit Partylounge und verschieden dekorierten Schlafzimmern. Lifestyle auch auf der letzten Meile. Ohne Personal läuft das natürlich nicht. Da braucht es noch einen Sternekoch, einen flinken Apotheker (wird von den Insassen «Drogenkurier» genannt) und diensteifriges Pflegepersonal. Das Ganze kann man sich in der Schweiz natürlich niemals leisten, deshalb ist dieses Altersheim irgendwo im sonnigen Süden, wo es nie richtig kalt wird und Löhne noch zahlbar sind. Ein Drittweltland mit einem Minimum an Infrastruktur schwebt mir da vor … vielleicht Florida? An so einem Ort würden meine Frau Gemahlin und ich unsere Zähne ins selbe Glas legen.
Glückwunsch zur aktuellen Tagblatt-Kolumne. In unserer Werbeagentur haben wir uns sehr darüber amüsiert. „Lifestyle auch auf der letzten Meile. Hoch die Schnabeltassen!“ dürfte unser Schlachtruf bei abendlichen Apéros werden. Jedenfalls der der nicht mehr ganz so taufrischen Mitarbeitenden.
LikeGefällt 1 Person
Sie sind in meinen Augen einfach der beste Schweizer Journalist, in der Wahl Ihrer Themen ebenso wie als Künstler der Sprache. Ihre „Rentnerbrigade“ ist wohl der beste journalistische Text, den ich in mindestens zehn Jahren gelesen habe. Ich danke Ihnen herzlich dafür!
Ihr Alfred Toth (Prof. Dr. Alfred Toth, in Tucson/AZ momentan exilierter Stadtzürcher).
LikeGefällt 1 Person