Geburtstagskarte

Ich habe letztes Jahr meinen 60. Geburtstag gefeiert. Nichts Extravagantes, nur so ca. 400 Gäste auf einem Casino-Flussdampfer im Amazonas, Champagner, Kaviar, drei Bands, aussterbende Tiere vom Grill, Drogen, sexuelle Gefälligkeiten … habe ich Ihre Aufmerksamkeit? Okay, so wars nicht ganz. Mehr so nettes Essen im kleinen Kreis in einem richtig guten Restaurant. Und weil dieses Lokal ein Geheimtipp ist, bleibt es auch geheim. Es ist ein Lokal in dem das Personal keine Geburtstagsständchen singt, weil alle das hassen. Das Personal hasst es, das Geburtstagskind, die anderen Gäste, alle. Nur nicht der Vollpfosten von Freund, der das Ständchen bestellt hat, selber nicht mitsingt und stattdessen doof grinst. Das ist auch der, der sagt, er habe mich jünger in Erinnerung. Ja, das war ich mal.

Doofe Geburtstagskarten

Unvermeidlich: Doofe Geburtstagskarten

Viele nette Geburtstagskarten habe ich bekommen. Anders als ein Fussballspieler freue ich mich über Karten, auch wenn da so Blödsinn steht wie: «Legenden sterben nicht mit 27, sie werden 60». Das war irgendwie noch okay, obwohl ich das ungute Gefühl habe, ich hätte vor 33 Jahren das Sterben verpasst. Was aber sicher nicht geht ist «60 Jahre jung …» Dafuq! Ich wiederhole das gerne, weil’s so absurd ist: 60 Jahre JUNG! Das ist etwa gleich schlau wie «240 Kilo schlank». Ein Widerspruch in sich selbst, ähnlich dem Begriff «Wirtschaftsethik». Aber zurück zu den Karten. Neben lieben Wünschen waren auch Bosheiten wie «… ein gutes Alter, sich aus dem aktiven Geschlechtsleben zurückzuziehen und sich zum Alkoholiker umschulen zu lassen.» Die dazugelegte Flasche Bourbon hat die Bosheit fast wieder wettgemacht. Ich glaube, Geburtstagskarten sind nur deshalb so beliebt, weil die ersten solchen Karten, die man im Leben bekommen hat, oft mit Bargeld gefüttert waren. Ich habe übrigens ein allgemeines Geschenkverbot ausgesprochen. Nein, ich kam nicht in die Verlegenheit, deshalb einen Tesla zurückzuweisen. Die paar alkoholischen Getränke, die mir trotzdem überreicht wurden, werde ich kurzfristig der Vernichtung zuführen. Oder ist das richtige Wort «Verdauung»?

(Tagblatt der Stadt Zürich, 10.01.2024)